Rechtspflicht Cybersicherheit: Wie NIS2 die Arbeit von Juristen verändert
Die Digitalisierung schreitet in Kanzleien und Unternehmen weiter voran – mit vielen Chancen, aber auch neuen Risiken. Mit der EU-Richtlinie NIS2 steht eine bedeutende Veränderung bevor: Sie verpflichtet bestimmte Einrichtungen, ihre IT-Sicherheitsmaßnahmen massiv zu verbessern. Für Juristinnen und Juristen bedeutet das nicht nur neuen Beratungsbedarf – auch die eigene Arbeitsweise ist betroffen.
Im Rahmen dieser Entwicklung stellen sich zahlreiche rechtliche Fragen: Welche Anforderungen gelten künftig für Kanzleien? Wie verändert sich die Haftung? Und was müssen Anwältinnen und Anwälte wissen, um ihre Mandant:innen richtig zu beraten?
Was genau ist NIS2 – und was ändert sich?
Die NIS2-Richtlinie (Network and Information Security Directive 2) ist eine Weiterentwicklung der bisherigen NIS1-Richtlinie. Ziel ist ein europaweit einheitliches, höheres Niveau an Cybersicherheit – insbesondere für kritische und wichtige Einrichtungen. Betroffen sind Unternehmen in Bereichen wie Energie, Transport, Gesundheitswesen, Finanzen, aber auch IT-Dienstleister und teilweise Kanzleien.
Ein detaillierter Unterschied NIS1 und NIS2 zeigt: NIS2 weitet den Anwendungsbereich deutlich aus, verschärft Meldepflichten und verlangt ein aktives Risikomanagement. Auch Geschäftsführer:innen und Vorstände haften künftig persönlicher bei Verstößen gegen Cybersicherheitsvorgaben.
Neue Anforderungen für Juristen – intern und extern
Für Jurist:innen ergeben sich durch NIS2 zwei wesentliche Handlungsfelder:
1. Beratungspflichten gegenüber Mandant:innen:
Unternehmen benötigen nun eine umfassende rechtliche Begleitung bei der Umsetzung der NIS2-Richtlinie, insbesondere in den Bereichen Vertragsgestaltung mit IT-Dienstleistern, Datenschutz-Schnittstellen (wie DSGVO und NIS2), Haftungsfragen im Fall von Sicherheitsvorfällen sowie der Entwicklung interner Richtlinien und Prozesse.
Gerade in Kombination mit Datenschutz, Arbeitsrecht und Unternehmenshaftung entsteht ein komplexes Compliance-Umfeld, in dem fundierte rechtliche Beratung unabdingbar ist. Kanzleien, die sich auf IT- oder Unternehmensrecht spezialisieren, sollten NIS2 künftig aktiv in ihre Beratungsangebote integrieren.
2. Eigene Compliance in der Kanzlei:
Auch Anwaltskanzleien selbst geraten durch NIS2 indirekt unter Druck. Zwar sind sie formal nicht immer direkt betroffen – doch mit zunehmender Digitalisierung, Cloud-Nutzung und IT-Outsourcing steigen auch die Erwartungen an die IT-Sicherheit im juristischen Alltag.
Wie eine gute IT-Strategie aussehen kann, zeigt dieser Beitrag zu effizienten IT-Lösungen für Anwaltskanzleien. NIS2 kann dabei als Anlass dienen, die eigene digitale Infrastruktur und Sicherheitsstandards kritisch zu überprüfen und auf den neuesten Stand zu bringen.
Schnittstellen zur DSGVO und anderen Rechtsbereichen
Ein besonders relevanter Aspekt für die Praxis ist die enge Verzahnung von NIS2 mit anderen Rechtsvorgaben – insbesondere der DSGVO. Beide Regularien verfolgen das Ziel, Risiken frühzeitig zu erkennen und Schäden zu verhindern. In vielen Fällen greifen Datenschutz– und Sicherheitsvorgaben ineinander.
So kann ein Datenschutzvorfall gleichzeitig eine Sicherheitsverletzung im Sinne der NIS2-Richtlinie darstellen. Jurist:innen müssen daher zunehmend in der Lage sein, diese Zusammenhänge rechtlich präzise zu bewerten. Auch das Arbeitsrecht wird tangiert – etwa bei der Gestaltung von Schulungen oder der Verantwortlichkeit einzelner Mitarbeitender.
Zusätzlich ergeben sich neue Schnittstellen zum Haftungsrecht: Die persönliche Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung wird verschärft, ebenso die Anforderungen an interne Kontrollsysteme. Rechtsberatung muss hier interdisziplinär erfolgen – oft in Zusammenarbeit mit IT-Sicherheits- und Risikomanagement-Expert:innen.
Persönliche Haftung & Meldepflichten
Besonders brisant: Die NIS2-Richtlinie sieht konkrete Haftungsregelungen vor. Führungspersonen haften künftig auch persönlich, wenn Organisationen ihre Pflichten grob verletzen – etwa durch unzureichende Risikobewertung, fehlende Incident-Response-Pläne oder nicht gemeldete Sicherheitsvorfälle.
Jurist:innen müssen deshalb nicht nur technische Vorgaben kennen, sondern auch verstehen, wie diese rechtlich einzuordnen sind: Was gilt als fahrlässig? Welche Anforderungen müssen in der Geschäftsordnung berücksichtigt werden? Und wie ist ein IT-Risiko rechtlich zu bewerten?
Fazit: Sicherheit wird zur juristischen Kernaufgabe
Cybersicherheit ist längst nicht mehr nur ein Thema für IT-Abteilungen – sie ist zur strategischen und juristischen Herausforderung geworden. Die NIS2-Richtlinie zwingt Organisationen zum Umdenken und eröffnet für Rechtsanwält:innen ein neues, dynamisches Beratungsfeld. Gleichzeitig ist sie ein Weckruf für Kanzleien, auch intern digitale Sicherheit als Grundpfeiler der beruflichen Sorgfaltspflicht zu etablieren.
- Wenn Algorithmen Reisen planen: Was Nutzende über Rechte und Pflichten wissen sollten - 18. April 2025
- Schiffstipps: Expertenrat für Seefahrer - 17. April 2025
- Cannabis-Legalisierung weltweit: Ein Überblick 2025 - 17. April 2025