Im europäischen Rechtsgefüge begegnen sich zwei Spitzeninstitutionen, die auf unterschiedlichen Ebenen wirken und dennoch im selben Fall ineinandergreifen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Unionsrecht verbindlich aus, während der Bundesgerichtshof (BGH) als höchste Instanz in Zivil-, Straf- und Kartellsachen die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Deutschland sichert, allerdings stets mit Blick auf Vorgaben aus Luxemburg.
Daraus entsteht kein Wettbewerb, vielmehr eine arbeitsteilige Ordnung, in der europäische Maßstäbe nationale Entscheidungen durchdringen. Auch wenn beide Gerichtshöfe verschiedene Aufgaben erfüllen, verbindet sie ein gemeinsames Ziel. Sie sollen Rechtsklarheit in einem komplexen, vielschichtigen System schaffen. Gerade diese enge Verzahnung macht deutlich, wie fein abgestimmt das Zusammenspiel aus europäischer und nationaler Gerichtsbarkeit ist.
Zwei Gerichtshöfe mit klaren Aufgaben und gemeinsamen Zielen
Der Europäische Gerichtshof gewährleistet, dass Verträge, Verordnungen und Richtlinien in allen Mitgliedstaaten gleich verstanden werden. Er entscheidet nicht den konkreten Nachbarschaftsstreit, klärt jedoch die Rechtsfrage, an der nationale Verfahren hängen. Der Bundesgerichtshof greift diese Auslegung auf und führt das deutsche Verfahren zu Ende, wobei sich nationale Maßstäbe mit unionsrechtlichen Anforderungen verbinden.
So bleibt der Rechtsrahmen verlässlich, selbst wenn Materien wie Kartellverfolgung, Urheberrechte oder Verbraucherfragen an den Binnenmarkt andocken. Ohne diese Arbeitsteilung wäre das Recht in Europa ein Flickenteppich, in dem jede nationale Gerichtsbarkeit ihr eigenes Verständnis pflegt. Genau deshalb gilt der Europäische Gerichtshof als Garant für Kohärenz, während der Bundesgerichtshof sicherstellt, dass diese Einheit auch im deutschen Alltag ankommt.
Europäisches Recht plötzlich ganz nah – das Beispiel Online-Glücksspiel
Kaum ein Thema zeigt die Verflechtung von nationalem und europäischem Recht so deutlich wie das Online-Glücksspiel. Wenn News legales Online-Glücksspiel betreffen, liest man auch immer etwas rund um den EuGH, der aktuell einige wichtige Urteile treffen muss.
Immer wieder müssen Gerichte darüber entscheiden, ob Spieler ihr Geld von Anbietern zurückverlangen dürfen, die keine deutsche Lizenz besitzen. Der Europäische Gerichtshof wird in diesem Zusammenhang regelmäßig angerufen, weil sich die Frage stellt, ob das deutsche Glücksspielrecht mit den europäischen Grundfreiheiten vereinbar ist.
Im Mittelpunkt steht dabei ein klassischer Konflikt. Auf der einen Seite steht der nationale Schutzgedanke, etwa im Glücksspielstaatsvertrag, der Spielsucht verhindern und Verbraucher schützen soll.
Auf der anderen Seite steht das europäische Prinzip der Dienstleistungsfreiheit, das es Anbietern aus anderen EU-Staaten erlaubt, ihre Dienste auch in Deutschland anzubieten. Wenn also ein Anbieter mit Sitz in Malta oder Zypern deutsche Spieler erreicht, überschneiden sich nationale Regeln und europäische Grundrechte.
Wenn nationale Verfahren europäische Klärung brauchen
Besonders sichtbar wird das Zusammenspiel im Vorabentscheidungsverfahren nach Artikel 267 AEUV. Entsteht im nationalen Prozess eine unionsrechtliche Zweifelsfrage, richtet das Gericht einen Katalog konkreter Punkte an den Europäischen Gerichtshof.
Während die Antwort vorbereitet wird, ruht das Verfahren, danach wird mit der verbindlichen Auslegung fortgesetzt. Für letztinstanzliche Gerichte besteht hierbei regelmäßig eine Pflicht zur Vorlage, sobald eine entscheidungserhebliche Unionsrechtsfrage offen ist.
Ausnahmen sind anerkannt, etwa bei einer bereits gefestigten Luxemburger Linie oder einer Offenkundigkeit, die keinen vernünftigen Zweifel lässt. In der Praxis bedeutet das, der Bundesgerichtshof prüft sorgfältig, ob eine Vorlage geboten ist, und verzichtet nur, wenn der europäische Befund eindeutig erscheint. Diese Prüfungen sind keineswegs bloß Formalitäten. Sie entscheiden darüber, ob ein Verfahren Monate länger dauert oder in kürzester Zeit abgeschlossen werden kann. Der Europäische Gerichtshof dient in diesem Verfahren nicht als Kontrollinstanz, vielmehr als Partner, der für eine einheitliche Rechtsanwendung sorgt.
Über allem steht der Vorrang des Unionsrechts. Wo eine unmittelbar anwendbare europäische Norm greift, ordnet sich das nationale Recht ein, Gerichte arbeiten daher mit unionsrechtskonformer Auslegung und lassen kollidierende Normen im Zweifel unangewendet. Gleichwohl existiert eine verfassungsrechtliche Grenze, die das Bundesverfassungsgericht markiert. Es achtet darauf, dass die Identität des Grundgesetzes unangetastet bleibt, insbesondere bei elementaren Strukturprinzipien und Grundrechten.
Zusammenarbeit statt Wettbewerb
Am Ende steht keine Hierarchie in dem Sinn, dass eine Instanz die andere überragt. Der Europäische Gerichtshof legt Unionsrecht aus und bindet damit alle nationalen Gerichte. Der Bundesgerichtshof wahrt die Einheitlichkeit des deutschen Rechts und führt Verfahren zu Ende, während das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Leitplanke bildet.
Gerade diese Verknüpfung sorgt dafür, dass Recht in Europa verlässlich, anschlussfähig und praktisch handhabbar bleibt, auch wenn komplexe Materien den Blick über die nationale Grenze verlangen.
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